OZ-Podiumsdiskussion zur Bürgermeisterwahl in Alsfeld mit Arno Hedrich und Stephan Paule: Bei der Haushaltssanierung gehen Meinungen auseinander
Von OZ-Redakteurin Sabine Galle-Schäfer
Wohl jeder hätte ein wenig Nerven gezeigt, hätte er an diesem Abend auf der Bühne Rede und Antwort stehen müssen: Zunächst waren 250 Stühle in der Aula des Gymnasiums gestellt, die reichten bei Weitem nicht aus. Zusätzliche Reihen mussten aufgebaut werden, schließlich mussten die Trennwände zum Foyer geöffnet werden und am Ende schauten Paule und Hedrich auf mehr als 500 Menschen in der Halle, die sich an diesem Abend ein Bild davon machen wollten, wer der beste Kandidat für das Amt des Alsfelder Rathauschefs ist.
Der Beginn der Diskussion war klassisch: OZ-Redaktionsleiter Henning Irek bat um eine kurze Vorstellungsrunde und fragte nach der Motivation, in Alsfeld, einer Stadt, „in der es finanziell nichts zu verteilen und wenig zu gestalten gibt“, Bürgermeister werden zu wollen. Er kann sich gut vorstellen, sein Ehrenamt zum Beruf zu machen, nannte Stephan Paule einen Grund, außerdem reizt es ihn, als „eigener Chef“ seine eigenen politischen Ideen umsetzen zu können, und als inhaltlichen Punkt führte er an: „Mit Alsfeld steht und fällt die gesamte Region. Ich will, dass es mit Alsfeld und der Umgebung aufwärts geht.“
Kontrahent Arno Hedrich verwies auf seine 20-jährige Berufserfahrung auf drei Ebenen der öffentlichen Verwaltung und zeigte sich überzeugt: Gerade diese Erfahrungen sind für das Bürgermeister-Amt „sehr wichtig“. Für einen Bürgermeister sei es sehr hilfreich, wenn er die „andere Seite“ kennt, dadurch könne er nicht nur reagieren, sondern agieren, sagte Hedrich und spielte damit auf seine Tätigkeit bei der Kommunalaufsicht des Kreises an. Und schließlich gestand er: „Es ist die Liebe zu meiner Heimatstadt, die mich antreibt.“
Sachlich und immer ruhiger und gelassener werdend, beantworteten Paule und Hedrich die weiteren Fragen, die die OZ-Redaktion vorbereitet hatte – die Themen reichten von Kerber-Brache bis zu Wohnen im Alter, von Innenstadt-Belebung bis zu Wirtschaftsförderung, von kulturellem Angebot bis zur Finanzsituation der Stadt. Dabei wurde deutlich: Die Positionen der beiden Kandidaten decken sich in weiten Bereichen, lediglich die Formulierungen wichen ein wenig ab. Beide unterstrichen die Bedeutung von Wirtschaftsförderung. „Ohne die sind all die Bereiche, die wir uns wünschen, Makulatur“, betonte CDU-Mann Paule, der die Förderung zur „Chefsache“ machen will, und der von der SPD und ALA ins Rennen geschickte Kandidat Hedrich machte deutlich: „Dieses Drama, es steht so schlecht um Alsfeld, kann ich nicht teilen“, er sehe vielmehr eine „positive Entwicklung“.
Natürlich konnte keiner der beiden ein Patentrezept zur Belebung der Innenstadt präsentieren, einig waren sie sich aber, dass in kleinen Schritten durchaus etwas zu erreichen ist. Paule sprach sich beispielsweise für eine Änderung der Sonderflächennutzungssatzung für die Innenstadt aus und regte die Bildung eines „Marktmeisteramtes“ an, um einen Ansprechpartner für alle Geschäftsinhaber, Gastronomen und Marktbeschicker zu haben. Hedrich wiederum betonte auf den Bereich Kultur und Vereine eingehend, dass „genug Sonntagsreden auf das Ehrenamt gehalten sind“, sprach sich für eine Stärkung des Ehrenamtes aus, das bislang „durch die Vereinsförderrichtlinien nicht ausreichend gewürdigt ist“, und würde noch einen zusätzlichen Fördertopf schaffen.
Ein großes Thema – das haben beide Kandidaten bei ihren Vorstellungsrunden durch die Stadtteile erfahren – ist dort die Nutzung der Dorfgemeinschaftshäuser. „Es ist mir wichtig, dass in jedem Ortsteil die Möglichkeit erhalten bleibt, dass Menschen sich treffen können“, machte Hedrich deutlich. Er habe auch erlebt, dass die Diskussion um die Zukunft der Gemeinschaftshäuser „identitätsstiftend“ sein könnte wie beispielsweise in Liederbach, wo ein Dorfverein die Regie übernommen habe. „Ich betone den Erhalt nur dort, wo es keinen anderen Treffpunkt gibt“, sprich eine „gesunde Wirtschaftsstruktur“, so der Standpunkt Paules. Gebe es keine Gaststätten mehr im Ort und seien Vereine auf einen Raum angewiesen, „müssen die Dorfgemeinschaftshäuser erhalten bleiben“. Wichtig sei zudem eine Konsolidierung vor Ort wie in Schwabenrod: „Wenn dort die Wohnung oben im Haus vermietet ist, trägt sich das DGH.“
Bei all den Gemeinsamkeiten gab es doch einen einzigen Dissens – und zwar in der Frage der Finanzen. „Die Sanierung des städtischen Haushalts wird uns alleine nicht gelingen“, mahnte Finanzexperte Hedrich und warnte davor „alles platt zu machen“, sprich sämtliche Leistungen zu streichen. Genau aus diesem Grund habe die Stadt die Grundrechtsklage gegen das Land Hessen auf den Weg gebracht. Denn: Den Kommunen müssten zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt werden. Paule hingegen will die Stadt nicht in der „Opferrolle“ oder als „Anhängsel des Landes“ sehen, der Grundrechtsklage allein wolle er nicht vertrauen. „Wir müssen eigene Vorschläge machen, um die Einnahmesituation zu verbessern“, so sein Standpunkt. Er forderte, die Eröffnungsbilanz so schnell wie möglich vorzulegen, „dann fließen auch wieder Fördergelder“.
In einer anschließenden Fragerunde konnte das Publikum beiden Kandidaten auf den Zahn fühlen – und dabei ging es ebenfalls um Alsfelder Dauerbrenner wie die Ampelschaltung oder Windkraft (siehe Bericht auf Seite 17). Zum Abschluss schließlich konnten beide Kandidaten noch ihre kreative, ihre witzige Seite präsentieren: Beide mussten fünf Sätze vervollständigen – auch das haben wir in einem gesonderten Bericht auf dieser Seite dokumentiert.