Biogas aus reiner Gülle
Bürgermeisterkandidat Stephan Paule, Landtagsabgeordneter Kurt Wiegel und Vertreter der CDU Alsfeld besuchen den landwirtschaftlichen Betrieb Steuernagel in Eudorf.
ALSFELD. Einen breiten Spannungsbogen zwischen traditioneller Milchviehwirtschaft und modernsten Innovationen erlebten CDU-Bürgermeisterkandidat Stephan Paule, Landtagsabgeordneter Kurt Wiegel und Mitglieder der CDU Alsfeld bei ihrer jüngsten Betriebsbesichtigung auf dem Hof Steuernagel in Alsfeld-Eudorf. Von der Bedeutung des Milchpreises bis hin zur rein mit Gülle betriebenen Biogasanlage erhielten die CDU-Vertreter einen interessanten Einblick in die Arbeitsweise eines modernen, milcherzeugenden Bauernhofes.
Betriebsinhaber Dirk Steuernagel, der 2009 außerhalb Eudorfs oberhalb der Schwalm einen neuen Stall mit Betriebsgebäuden errichtet hat, führte die Besucher durch den Betrieb. „Zurzeit haben wir 240 Milchkühe, durch den gerade in 2012 abgeschlossenen Ausbau können wir die Betriebsgröße auf rund 300 Tiere steigern“, erklärte Steuernagel.
Neben der Frage der Wirtschaftlichkeit bei einem Milchpreis von zurzeit 32 bis 33 Cent pro Liter spiele für den Hof Steuernagel auch der künftige Betrieb einer Biogasanlage eine entscheidende Rolle. Dirk Steuernagel führt aus, dass seine Lebensgefährtin ihm die Idee einer Anlage, die ganz ohne Biomasse, insbesondere ohne Grünschnitt und Mais auskommt, schmackhaft gemacht habe. Um Biogas aus „reiner Gülle“ zu erzeugen, sei eine Betriebsgröße von 300 Tieren erforderlich. Gegenüber Anlagen mit Biomasse habe dieses Modell den Vorteil, dass auf großflächigen Maisanbau, der andernorts zu beobachten sei, verzichtet werden könne. Auch der Grünschnitt komme in vollem Umfang der Fütterung der eigenen Tiere zugute, unterstrich Steuernagel. Dadurch dass weniger Abwärme als bei Biomasse-Biogasanlagen entstehe, produziere die Anlage nur elektrischen Strom. Die nach dem Prozess verbleibende „Restgülle“ sei geruchlos und könne so unproblematisch als Dünger ausgebracht werden.
Dirk Steuernagels Milchkühe sind „Schwarzbunte“, die im hiesigen Raum verbreitetste Milchviehrasse. Der neue Laufstall ist, auch jetzt im Herbst, gut durchlüftet. Steuernagel sagt: „Die optimale Wohlfühltemperatur für Kühe ist fünf Grad,“ daher sei es im Hochsommer sogar erforderlich, den Stall durch Ventilatoren zu kühlen. Im Stall können sich die Tiere frei bewegen dabei entscheiden sie selbst, ob sie sich im „Ruhebereich“ hinlegen, oder z. B. etwas fressen wollen, so Steuernagel. Mit den Viehställen, wie sie noch bis in die 1980er Jahre hinein üblich gewesen seien, habe Milchviehhaltung heute nicht mehr viel zu tun. Dies bestätigten auch die anwesenden CDU-Vertreter, die z. T. „noch ganz andere Vorstellungen“ von Milchviehhaltung hatten als den modernen Betrieb von heute.
Gemolken werden Milchkühe alle zwölf Stunden, also zweimal am Tag. Sie laufen dazu in den Melkstand, wo vor Beginn des Melkprozesses die Euter gereinigt werden. Durch Transponder am Fuß jeder Kuh können dabei die Daten jedes Tieres genau elektronisch erfasst werden. So könne man auch wichtige Informationen über den Gesundheitszustand der Tiere kontinuierlich erfassen. Milch sei, so Dirk Steuernagel, das in Deutschland „bestkontrollierte Lebensmittel“. Regelmäßig werde die Milch auf Keime oder „Zellen“ überprüft.
Für kranke Tiere ist auf dem Hof ein Teil des Stallgebäudes bereitgestellt. Hier werden die Tiere tierärztlich versorgt bis sie sich wieder erholt haben und in den regulären Stall zurückkehren können. Ebenfalls besonders behandelt werden trächtige Kühe. Sie werden einige Wochen vor der Geburt des Kalbes „trockengestellt“, also nicht mehr gemolken. Zur Verhinderung von Entzündungen im Euter erhalten sie ein Antibiotikum und ihre Ernährung wird umgestellt. Diese Kühe sind die einzigen, die noch auf dem „alten“ Hof der Familie Steuernagel im Ortskern von Eudorf beheimatet sind.
Bürgermeisterkandidat Stephan Paule und Landtagsabgeordneter Wiegel, der zugleich Vorsitzender des Vogelsberger Bauernverbandes ist, freuten sich über den innovativen Beitrag, den die Landwirtschaft dauerhaft für die heimische Wirtschaft und damit für die heimische Wertschöpfung leiste. Dirk Steuernagel, der in seinem Familienbetrieb eine Person fest als Mitarbeiter angestellt hat, ergänzte dass neben den Beschäftigten, die „rein in der Landwirtschaft“ tätig seien, auch die Wirtschaftszweige im vor- und nachgelagerten Bereich der Landwirtschaft (Betriebe für Futtermittel, Saatgut, Lebensmittelverarbeitung usw.) die Bedeutung dieses Wirtschaftszweiges ausmachten. Stephan Paule ergänzte: „Hier im Vogelsberg, insbesondere in Alsfeld und seinen Stadtteilen, spielt die Landwirtschaft eine wichtige, unverzichtbare Rolle.“ Der Erhalt ländlicher Strukturen und unserer Kulturlandschaft hänge untrennbar mit einer gesunden heimischen Landwirtschaft zusammen, betonten Wiegel und Paule abschließend.